Beim diesjährigen, zweiten Feuerlein-Symposium diskutierten ExpertInnen aus Praxis und Forschung aktuelle Aspekte rund um das Thema Sucht. Ein Schwerpunkt waren E-Zigaretten als neues Suchtmittel.
Dampfen statt Rauchen: die E-Zigarette auf dem Vormarsch
Nebelartige Dampfwolken in Geschmacksrichtungen wie Karamell, Pfefferminz, Vanille oder Ananas: Seit einigen Jahren sind in Deutschland immer öfters Menschen anzutreffen, die E-Zigaretten konsumieren. Ob mit oder ohne Nikotin: Die Tabakindustrie baut die neue Technologie der aromatisierten Dämpfe auf und bewirbt sie mit dem Label „gesünder als herkömmliche Zigaretten“ – ein Etikettenschwindel, der dazu führt, dass KonsumentInnen das Gefahrenpotential von E-Zigaretten deutlich unterschätzen.
Der medizinische Blick auf E-Zigaretten
Chancen für einen sanfteren Konsum oder doch eher Risiko? Diese Frage wurde unter anderem auf dem diesjährigen Feuerlein-Symposium diskutiert. E-Zigaretten werden durch medizinische Fachgesellschaften tendenziell kritisch bewertet. Zentrale Bedenken sind neben der Sorge, dass durch die geschmackliche Vielfalt der sogenannten Liquids Jugendliche zum Dampfen und dann zum Rauchen verführt werden, vor allem die Ungewissheit über Gesundheitsgefahren durch die erhitzten Liquids. So werden unter anderem ungeklärte Lungenerkrankungen diskutiert – und auch Todesfälle geraten zunehmend in den Fokus der amerikanischen Berichterstattung. Vor allem die in den USA vermarkteten USB-Stick-ähnlichen neuen Geräte führen zu einer Nikotinanflutung im Gehirn, die mit der durch herkömmliche Zigaretten erreichten vergleichbar ist. Dies lässt vermuten, dass E-Zigaretten ein ähnliches Abhängigkeitspotential besitzen wie ihr herkömmliches Pendant.
Die E-Zigarette im Diskurs des Feuerlein-Symposiums
Die Diskussion über das Gefahrenpotential von E-Zigaretten verläuft in Deutschland kontrovers: Gerade für schwer Tabakabhängige, die bereits stark unter den Folgen des Rauchens leiden, könnte diese Konsumform eine Verlangsamung der Chronifizierung und Minderung der Folgeerkrankungen ermöglichen und somit eine weniger tödliche Form des Rauchens darstellen. Andererseits lässt sich die E-Zigaretten-Technologie auch als Trojanisches Pferd der Tabakindustrie werten, mithilfe dessen die Nikotinabhängigkeit weiter gefördert wird – so die Einschätzung von Dr. Tobias Rüther (Klinikum der Universität München) auf dem diesjährigen Feuerlein-Symposium.
Das Feuerlein-Symposium: Verbindung von Forschung und Praxis
Das Feuerlein-Symposium zur Versorgungsforschung in der Suchttherapie findet jährlich im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg (IWH) statt. Am 17. Oktober 2019 trafen sich in Heidelberg nationale und international renommierte Suchtforschende mit regionalen AkteurInnen der Suchtprävention und Suchttherapie und diskutieren aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft und deren Beitrag zur Versorgungsrealität. Neben dem Gefahrenpotential von E-Zigaretten wurden auf dem diesjährigen Feuerlein-Symposium unter anderem folgende Themen erörtert: Chancen und Risiken von häufigen stationären Behandlungen, Policy-Aspekte der Suchtkrankenversorgung, Besteuerung von Tabak und Alkohol, Präventionsstrategien und die Opioidkrise in den USA.
Organisiert wurde das Feuerlein-Symposium zum zweiten Mal vom Feuerlein Centrum für Translationale Suchtmedizin (feuerleinCTS) – auch wieder in Kooperation mit der Deutschen Suchtstiftung. Die wissenschaftliche Leitung des Symposiums übernahm Dr. Ulrich Frischknecht, psychologischer Psychotherapeut und Arbeitsgruppenleiter an der Klinik Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am ZI in Mannheim. Das feuerleinCTS ist eine Kooperation der Suchtkliniken am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch und am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Namensgeber ist Wilhelm Feuerlein (1920 bis 2015), der sich zeitlebens als Arzt und Wissenschaftler für eine bedarfsorientierte, evidenzbasiert und nicht stigmatisierende Behandlung von Suchterkrankten eingesetzte hat. In diesem Sinne ist es das Ziel des feuerleinCTS Forschung für die Behandlung nutzbar zu machen und für die Behandlung wichtige Fragestellungen zu beforschen.
Fotografien: Bernhard Schmidt.